Aus Tradition verpflichtet

Transparenz: Ein solides Fundament für die Kunsthandlung

1995 übergibt Florian Eitle-Böhler dem Bayerischen Wirtschaftsarchiv die Lagerbücher der Kunsthandlung aus den Jahren 1880 bis 1976, die Korrespondenz von 1931 bis 1976 sowie Lagerbücher und die Korrespondenz der Kunsthandlung in Luzern zu Forschungszwecken.

Das Bayerische Wirtschaftsarchiv, nur ein Jahr vorher als Gemeinschaftseinrichtung aller bayerischen Industrie- und Handelskammern gegründet, sieht sich der Bewahrung des Archivgutes von Unternehmen, vorwiegend aus den Bereichen Industrie und Handel, verpflichtet. Dr. Richard Winkler, stellvertretender Archivleiter, betreut das historische Archiv der Kunsthandlung Julius Böhler und nennt es einen „Schatz für die Provenienzforschung“. Im folgenden Beitrag erläutert Dr. Richard Winkler für uns die große Bedeutung des Archivs für die Forschung:

Provenienzforschung zur Restitution NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunstwerke ist nicht erst seit dem 2013 Aufsehen erregenden „Fall Gurlitt“ ein Thema. Schon 1998 unterzeichneten 44 Staaten in Washington dazu eine Erklärung. Die Länder verpflichteten sich, die Bestände ihrer öffentlichen Kultureinrichtungen systematisch zu überprüfen und als Raubkunst identifizierte Objekte an die rechtmäßigen Eigentümer bzw. ihre Erben zurückzugeben. Seither untersuchen Museen und Bibliotheken in der Bundesrepublik die Herkunft (Provenienz) ihrer von 1933 bis 1945 (und teils danach) erworbenen Objekte.

Historische Archive von Kunsthandlungen und Antiquariaten sind für solche Provenienzrecherchen von unschätzbarem Wert. Denn vielfach tätigten Museen auch in der NS-Zeit Ankäufe über den Kunsthandel. Und da stellt sich die Frage, woher ein Kunsthändler seine Ware bezog, ob der Vorbesitzer unter Verfolgungsdruck des Nazi-Regimes stand, was bei jüdischen Sammlern stets anzunehmen ist. Darauf können die Geschäftsunterlagen des Händlers – sofern sie denn erhalten und zugänglich sind – eine Antwort geben.

Zu den Schwergewichten des deutschen Kunsthandels zählte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler. Spezialisiert auf Skulpturen, Möbel und „Altmeistergemälde“ des 14. bis 18. Jahrhunderts unterhielt sie vielfältige Geschäftsbeziehungen zu privaten Sammlern wie öffentlichen Museen. Zwischen 1933 und 1945 hat Böhler etwa 3000 Kunstwerke angekauft und auch wieder verkauft. Dies dokumentieren die fast komplett erhaltenen Geschäftsbücher und Firmenkorrespondenzen dieser Zeit.

Die Kunsthandlung Böhler hat diese Unterlagen bereits 1995 dem Bayerischen Wirtschaftsarchiv übergeben. Dort wurden sie erschlossen und sind seither uneingeschränkt für die historische Forschung zugänglich. Speziell im Rahmen der Provenienzforschung sind sie stark nachgefragt. Im Zuge der Provenienzermittlungen sind in den Papieren bislang kaum Fälle von Raubkunst zutage getreten. Ein prominenter Fall betraf das 1816 entstandene Gemälde des Porträtmalers Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788-1868) „Junge Dame mit Zeichengerät“. Böhler hatte das Objekt Ende 1938 von einer Kunsthändlerin aus Wien erworben und 1940 an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden weiterverkauft. Wie Nachforschungen ergaben, befand sich das Bild aber ursprünglich im Besitz der drei jüdischen Schwestern Malvine, Jenny und Bertha Rosauer. Sie mussten nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 auf Druck der Nazis ihre Wohnung in Wien verlassen und sich von dem Gemälde trennen. Später wurden zwei der Schwestern ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und 1942 ermordet. 2011 wurde das Bild an ihre Nachfahren restituiert, noch im gleichen Jahr bei Sotheby’s in London in eine Auktion gegeben und dort vom Dresdener Museum für 91.000 Euro wieder erworben. Mit der Rückgabe und der Neuerwerbung wurde das frühere Unrecht ansatzweise wiedergutgemacht.

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