Majolika-Teller

Möglicherweise Werkstatt Guido Fontana

Italien, Urbino, um 1550
Auf der Rückseite bezeichnet ‚HORATIO ’
Zinnglasierter Ton
Durchmesser 46 cm

Provenienz
Sammlung Baron Adolphe de Rothschild Paris;
Durch Erbe an Maurice de Rothschild;
Duveen Bros. New York, 1916;
Clarence H . MacKay, New York,
Sammlung Dr. H. Deutsch,
Belle Harbour, Long Island, New York;
Sotheby’s London, 14. Mai 1963, Los 33;
Christie’s London, 07.07.2003, Los 1;
Christie’s London, 24.05.2011, Los 40;
Sheikh Hamad bin Abdullah Al Thani, Paris, Hotel Lambert, bis 2022.

Vergleichende Literatur
Timothy Wilson, The Golden Age of Italian Maiolica Painting, Turin, 2018 .
Timothy Wilson, Maiolica. Italien Renaissance Ceramics in the Metropolitan Museum of Art, Highlights of the Collection, with an Essay by Luke Syson, The Metropolitan Museum of Art, New York, 2016.

Die Geschichte, die auf diesem Teller illustriert ist, wird in der Römischen Geschichte des Titus Livius (Ab urbe condita 2,10-13) erzählt: Im Jahr 507 v. Chr. verteidigt Horatius Cocles eine Brücke, die nach Rom führt, alleine gegen die Etrusker. Der mythische Held, als Brückenposten eingesetzt, verteidigt sich tapfer gegen die feindliche Übermacht. Hinter ihm reißen seine Kameraden die Brücke ein und verhindern so, dass die Etrusker den Fluss überqueren können. Als die Brücke einstürzt, fällt Horatius Cocles laut Titus Livius mit voller Rüstung in den Tiber. Cocles bittet den Flussgott Tiber um Hilfe und es gelingt ihm dank göttlicher Unterstützung, sich wohlbehalten an das Ufer zu retten. Nach einem anderen römischen Autor (Polybios 6,54-55) sei Horatius Cocles im Tiber ertrunken. Die Geschichte steht für die Tugend und die Selbstaufopferung des Individuums für den römischen Staat und das Allgemeinwohl.

Der Teller gehört zur Gattung der ‚istoriato’ Majolikateller und -gefäße, die ganzflächig mit biblischen, mythologischen, historischen Sujets oder auch Themen aus der Poesie eines Petrarca oder Ludovico Ariost verziert sind. Um 1550-60 war in Urbino die wichtigste Produktionsstätte für Istoriato-Teller die Werkstatt des Guido Durantino, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits Guido Fontana nannte. (Wilson 2016, S.199) 1541 hatten Guido und sein in der Werkstatt tätiger Sohn Orazio den Namen Fontana angenommen. Guido war vermutlich selber nicht als Maler tätig, sondern er beschäftigte als Unternehmer in seiner Werkstatt die talentiertesten Majolika Maler Urbinos (Wilson 2016, p.201).
Die Größe der Platte und die Qualität der Malerei sprechen für eine Entstehung in der Fontana Werkstatt. Nur wenige Teller sind auf der Rückseite signiert oder ausführlich mit einer Handschrift so bezeichnet, dass Rückschlüsse auf bestimmte Maler gezogen werden können. In den meisten Fällen sind die Majolika Maler namenlos. Häufiger können graphische Vorlagen, die als Motiv dienten, identifiziert werden. Meistens handelt es sich dabei um eine Vielzahl an motivischen Vorlagen, die frei miteinander kombiniert wurden. Für Geschichten aus der römischen Geschichte dienten illustrierte Ausgaben als Vorlagen, wie zum Beispiel die ‘Deche di Tito Livio vulgare hytroriate’, Venedig 1493, die im 16. Jahrhundert in mehreren Ausgaben verfügbar waren. Für den tapferen Horatius Cocles könnte eine Radierung von Marcantonio Raimondi, die zwischen 1510-1527 entstanden ist, als Inspiration gedient haben.

Titus Livius

Ein großer Historiker

Über das Leben des berühmten Livius ist wenig bekannt. Geboren wurde er wohl um 59 v. Chr. in Patavium, dem heutigen Padua. Nach Rom kam er als etwa 30-Jähriger, nach dem Sieg des Kaiser Augustus bei Actium und der damit beginnenden Friedenszeit in Italien, der sogenannten „Pax Augusta“. Hier gehörte Livius bald zum vertrauten Kreis des Kaisers, der ihn förderte und zum Lehrer seines Enkels ernannte, dem späteren Kaiser Claudius.
Bleibende Bedeutung erlangte Livius durch sein Geschichtswerk, an dem er bis zu seinem Lebensende arbeitete. „Ab urbe condita“ schildert die Anfänge des Römischen Reichs.
Da Livius weder militärische noch öffentliche Ämter bekleidete, war es ihm möglich, sich ganz auf seine schriftstellerische Tätigkeit zu konzentrieren.
Schon zu Lebzeiten erlangte der Historiker großen Ruhm; seine Bildnisse wurden in den Bibliotheken Roms aufgestellt. Gegen Ende seines Lebens kehrte Titus Livius nach Patavium zurück, wo er wohl um 17 n. Chr. gestorben ist.

Malaga Ware

Maiolika

Persische Töpfer entwickelten im 9. Jahrhundert eine Glasurtechnik, in der durch Beimischung von Zinnoxiden und weiteren Metallverbindungen sowie einer ausgeklügelten Brandtechnik ein glänzender Film auf der keramischen Oberfläche entstand. Dieses handwerklich hochkomplexe Verfahren gelangte bis ins Königreich Andalusien, wo Töpfer im 13. und 14. Jahrhundert einzigartig schimmernde Glasuren auf den Tonwaren hervorzauberten. Der sogenannte „Malaga Lüster“ war als Statussymbol hochgeschätzt und wurde von Südspanien aus über das Mittelmeer bis nach Nordeuropa exportiert. In Italien bezeichnete man die spanische Töpferware als „maiolica“. Die Herkunft des Wortes kommt wohl daher, dass man die spanische Bezeichnung für Lüsterkeramik, „obra de malica“ (Malaga Ware), fälschlicherweise mit Mallorca in Verbindung brachte und glaubte, die Keramik sei dort hergestellt worden. „Maiolica“ wurde zum allgemeinen Begriff für zinnglasierte Keramik.

Guido Fontana

Töpferateliers der Renaissance

Guido Fontana (1490-1576) gehört zu den bedeutenden Maiolica-Künstlern der italienischen Renaissance und unterhielt in Urbino eine bedeutende Werkstatt. Zu seinen Kunden gehörten reiche Bürger und der europäische Hochadel. Fontanas Werkstatt bestand wohl, wie andere, vergleichbare Werkstätten dieser Zeit aus acht Mitarbeitern. Jedem wurde eine feste Aufgabe zugewiesen. Zu diesen gehörte, Brennmaterialien zu beschaffen, die Brennöfen zu befeuern, den unbehandelten Ton vorzubereiten, diesen in Formen zu pressen, Glasuren anzumischen und aufzutragen und schließlich die Formstücke mit farbenfrohen Pigmenten auch nach graphischen Vorlagen zu bemalen. Alle Gehilfen arbeiteten unter der Anleitung des Töpfermeisters, der in der Regel auch Eigentümer der Werkstatt war.

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