Sterndeuter kamen aus dem Osten

Im Jahr 2016 erwarb das Metropolitan Museum in New York von der Kunsthandlung Julius Böhler ein wunderschönes kleines Kunstwerk, die „Anbetung der drei Magier“. Das zauberhafte, 29 x 22 cm große Relief ist aus Cartapesta (Pappmaché) gefertigt, farbig gefasst sowie vergoldet und wurde um 1470/70 in einer oberrheinischen Werkstatt gefertigt. Auch die Provenienz des Reliefs ist ausgezeichnet. Es stammt aus der Sammlung von Dr. Albert Figdor (1834-1927) und wurde 1930 von Julius Böhler angekauft. Figdor war Sohn des Wiener Kaufmanns und Bankiers Ferdinand Figdor. Er studierte in Wien Jura, promovierte und trat anschließend in das Bankgeschäft seiner Familie ein. Bereits als junger Mensch war Figdor sehr wohlhabend und begann, Kunst zu sammeln. Schwerpunkt waren Skulpturen, Möbel und kleine Objekte.
Gleich bei der Titelgebung des Bildes stellt sich die Frage: Handelt es sich bei den dargestellten Anbetern um Magier oder um Könige? Woher kommen sie? Was schenkten sie eigentlich dem göttlichen Kind? Wir wollen uns in diesem Blog auf eine weihnachtliche Spurensuche begeben und Licht in das Dunkel der Überlieferung bringen.

Dreikönigstag

In der Weihnachtszeit, genauer gesagt am 25. Dezember, feiern Christen die Geburt von Jesus Christus, Gottes Sohn auf Erden. Einige Tage später, am 6. Januar, gedenkt die Kirche dem Sichtbarwerden der Göttlichkeit Jesu (griech. Epiphanie). Der Apostel Matthäus beschreibt den Besuch an der Krippe:
Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ (Matthäus 2.2.)
Ursprünglich verstand man unter der altgriechischen Bezeichnung „magoi“ Mitglieder der persisch-babylonischen Priesterkaste, die sich mit Astronomie und Astrologie beschäftigten. Eigentlich waren die drei Weisen aus dem Morgenlande Gelehrte bzw. „Sterndeuter“. Deswegen konnten sie auch eine auffällige kosmische Erscheinung, einen großen Stern am Nachthimmel, als Aufforderung interpretieren, diesem zu folgen. Er führte die kleine Gruppe bis zum Stall in Bethlehem, wo er über der Krippe stehenblieb:
Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut. (Matthäus 2/10,11).
Der naturwissenschaftliche Aspekt der Weihnachtsgeschichte ist ein Grund, warum nicht nur Theologen, sondern auch Astronomen sich mit der Bibelstelle aus dem Matthäus-Evangelium beschäftigten. Viele sind nämlich überzeugt, es habe den Stern wirklich gegeben. Heute vermutet man in dem Himmelsphänomen ein enges Nebeneinanderstehen der Planeten Saturn und Jupiter, eine sogenannte „Konjunktion“. Tatsächlich hat im Jahr 7 vor Christus eine solche stattgefunden.

Caspar, Melchior und Balthasar
Die Geschichte geht nun weiter: Im 6. Jahrhundert einigten sich die Theologen, es habe drei Magier gegeben, die dem göttlichen Kinde huldigten. Wahrscheinlich leitete man ihre Zahl von den Geschenken ab, die sie mitbrachten, wie Matthäus berichtet:
Und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. (Matthäus 2/11).
Die drei Magier erhielten nun die Namen Caspar, Melchior und Balthasar und wurden zu Königen geadelt: Auch mächtige Herrscher hätten so das göttliche Kind angebetet. Caspar ist persisch und bedeutet „Hüter des Schatzes“. Auf Darstellungen ist Caspar als farbiger Afrikaner dargestellt. Er bringt dem kleinen Christuskind der Überlieferung nach Myrrhe, Symbol des Menschseins. Melchior dagegen ist hebräisch und heißt „König des Lichts“. Gold ist die Gabe des europäisch aussehenden Weisen, ein angemessenes Geschenk für einen König. Auch der Name des dritten Königs, Balthasar, ist hebräisch. Der asiatisch anmutende Weise bringt Weihrauch. Mit ihren Geschenken erkannten die Heiligen Drei Könige oder Magier Jesus als Gottes Sohn an und zeigten, dass sie ihn für göttlich hielten. Die Nationalitäten der drei Könige schulden sich übrigens den zur Zeit ihrer Namensgebung im 6. Jahrhundert bekannten Kontinenten Europa, Asien und Afrika. Alle Menschen sollten also symbolisch bei der Geburt des göttlichen Kindes vertreten sein.

Die Macht des Traums
Die sternkundigen Könige verstanden nicht nur die Botschaft des Sternes, sie hörten auch auf ihre Träume:
Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: „Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete.“ (Matthäus 2/7,8). Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land. (Matthäus 2/12).
So wurde der heimtückische Plan von König Herodes, das Kind zu töten, durchkreuzt und der göttliche Heilsplan konnte in Erfüllung gehen.

Machtvolle Reliquien
Dafür, dass es die drei Männer wirklich gegeben hat, gibt es letztlich keinen Beweis. Allerdings heißt es, Kaiserin Helena (248/50 bis 330), die Mutter des römischen Kaisers Konstantin I., habe auf ihrer Pilgerfahrt in Palästina die Gebeine der drei Magier entdeckt. Über Konstantinopel gelangten die Knochen nach Mailand. Von dort brachte sie Kaiser Barbarossa 1162 nach Köln. Bis heute liegen die Knochen, die von den Heiligen Drei Königen stammen sollen, im prachtvollen „Dreikönigenschrein“ des Kölner Doms. Geschaffen hat ihn Nikolaus von Verdun, der berühmteste Goldschmied seiner Zeit. Auch die große gotische Kathedrale wurde anlässlich der Verbringung der Reliquien errichtet. Er sollte die größte Kirche der Christenheit werden. Es sind eindrucksvolle Zeugnisse mittelalterlichen Glaubens, die es ohne den Glauben an die drei machtvollen Magier nicht gäbe.

Christus mansionem benedictat
Bis heute hat sich übrigens der Brauch des Haussegens zum neuen Jahr gehalten: Die Heiligen drei Könige und ihr Gefolge kommen als Sternsinger, gespielt von kleinen Kindern der jeweiligen katholischen Gemeinde, und schreiben die neue Jahreszahl an die Haustür. In diese fügen sie die Buchstaben C, M und B ein: 20 C M B 19 (für 2022). Die Initialen stehen für „Christus mansionem benedicat“ (Christus segne dieses Haus).

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